Freitag, Dezember 21, 2007

Prickelnd und gelassen wie das neue Jahr
Wer im neuen Jahr von Anfang an einen guten Eindruck hinterlassen möchte, sollte einen großen Bogen um den Mob mit den Bierflaschen machen

Mit ziemlicher Sicherheit ist an diesem Aberglau­ben genauso wenig dran wie an allen anderen. Die Art und Weise, wie man einen Jahreswechsel erlebt, sagt vermutlich nichts darüber aus, wie die kommenden 365 Tage für einen ganz persönlich werden. Ganz sicher sein kann man sich aller­dings nicht. Insofern ist es bestimmt keine schlechte Idee, den Übergang vom 31. Dezember auf den 1. Januar möglichst stilvoll zu erledigen.

Das neue Jahr soll schließlich einen guten Eindruck von dem es Feiernden bekommen, und wie ein solcher guter Eindruck aussehen könnte, lässt sich am ehesten nachvollziehen, wenn man versucht, sich in so ein neues Jahr hineinzuversetzen: Punkt Zwölf geboren, wird es zunächst sehr aufgeregt und auch ein kleines bisschen unsicher sein, denn der neue Job, so viel werden sie ihm auf der für alle neuen Jahre zweifellos obligatorischen Einführungsveranstaltung gesagt haben, birgt sehr viel Verantwortung, schließlich ist man der Träger der Hoffnungen, Sehnsüchte und Ängste von Milliarden Menschen.

Auch beim Jahr 2008 ist allerdings davon auszugehen, dass es sich dann, wenn sein Beginn in Deutschland gefeiert wird, schon an den weltweiten Wechselrummel gewöhnt hat und die anfängliche Begeisterung über die nette Begrüßung mit silbrigen Feuerrädern, blauen Kometenraketen und buntem Sternenregen bestenfalls mäßigem Interesse gewichen ist.

Und so besteht die Chance – oder auch die Gefahr, je nachdem –, dass das neue Jahr zu diesem Zeitpunkt mehr auf diejenigen zu achten be­ginnt, die für die ganze Knallerei und Zischerei und Jubelei – kurz, für den ganzen nervtötenden Lärm – verantwortlich sind, und sich alle diese Leute, die so große Hoffnungen und so viele Ängs­te mit ihm verknüpfen, näher anguckt.

Darüber, ob so ein Anno novo tatsächlich über­haupt gucken kann, ist zwar nichts bekannt, aber wenn, dann ist klar, wer bei ihm ganz oben auf die Liste der unbedingt schlecht zu behandelnden Menschen kommt: Biertrinker. Warum, ist leicht erklärt, man muss sich nur zwei Gruppen von zehn, 15 Personen vorstellen, die, Minimum leicht betrunken, auf dem Bürgersteig stehen und auf den Beginn des neuen Jahrs warten. Eine Gruppe besteht aus Sekttrinkern, die andere konsumiert Bier. Der Unterschied beginnt schon mit dem Anstoßen: Während die Biertrinker mit plumpem Scheppern ihre Flaschen aneinanderknallen lassen, produziert die Neigungsgruppe Schaumwein liebliches Gläserklirren.

Gut, das ist jetzt vermutlich noch kein überzeu­gendes Argument, den Bierliebhabern die Pest an den Hals zu wünschen, aber das neue Jahr, so ist zu vermuten, wird die atonale Gruppe nun schon mit einem gewissen Ressentiment be­obach­ten. Zumal es wissen dürfte, dass Biertrinken und schlechtes Benehmen einander bedingen. Zwar nicht so unabdingbar wie Biertrinken und rülpsen oder Biertrinken und pupsen, aber dennoch sind in der modernen Geschichte der Ausschreitungen noch keinerlei Fotos oder Filmaufnahmen von einem Ausländer jagenden oder Passanten belästigenden Mob mit Sektgläsern in den Händen gelungen.

Sekt trinken macht nämlich gelassen, was vielleicht auch nur daran liegt, dass man selbst wäh­rend des Konsums hochwertigsten Champagners dunkel ahnt, wie schrecklich der folgende Kater, inklusive des unabdingbar dazugehörenden etwa zwölfstündigen und noch dazu massiv schlafstörenden Sodbrennens, sein wird. Kein Grund also, dem drohenden furchtbaren Erwachen noch dunkle Erinnerungen an schlechtes Benehmen hinzuzufügen, weswegen Fremdknutschereien oder peinliche Geständnisse à la »Was ich dir eigentlich immer verschwiegen habe … « normalerweise unterbleiben.

In der Biertrinkergruppe sind dagegen – zu die­sem Zeitpunkt dürfte das neue Jahr in Deutschland rund eine halbe Stunde alt sein – die ersten Flaschen zu Bruch gegangen und die ersten Raketen auf die Sekttrinker-Crew abgefeuert worden. Die Scherben sind ein weiteres Argument gegen Bierkonsum, denn im Gegensatz zu zerbrochenen Sektgläsern sind Flaschenüberreste groß, spitz und langlebig und können, vom Verursacher in aller Regel mit ein bisschen Laub zugedeckt oder leidlich vollzählig in den Rinnstein gekickt, Pumps­trägerinnen noch Mitte Januar äußerst unangenehme Überraschungen bescheren.

Das kann das neue Jahr ganz sicher genauso we­nig tolerieren wie das notorische Anpinkeln unschuldiger Straßenbäume oder Hauseingänge, das eine weitere Spezialität der Biertrinker-Spezies mit den dauerüberfüllten Blasen ist.

Woraus wir lernen: Sekttrinken rulez!

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